Sonntag, 3. Dezember 2017

Speeddating

Das Signal ertönte. Nun war es Zeit die Plätze einzunehmen. Sieben Frauen, sieben Männer, sieben Minu­ten; das war das Motto der Veranstaltung in einem Szenelokal in der Kölner Südstadt. Speeddating nannte sich das Ganze. Man hatte sieben Minuten Zeit seinen Gegenüber kennen zu lernen, dann wurde gewechselt. Und wieder hatte man sieben Minuten zum Plaudern. So ging es weiter, bis man alle Teilnehmer des an­de­ren Geschlechts durch hatte. Nach der Veranstaltung trug man in ein Formular ein, wen man wiedersehen wollte.
Er setzte sich auf den ersten Platz und begrüßte die Dame. Sie hieß Andrea, sah gut aus und hatte schon vor der Veranstaltung mit einem der anderen Herren Kontakt aufgenommen. Das Gespräch lief recht gut, aber er merkte, dass sie keinen Draht zueinander fanden. Er war daher nicht gerade traurig, als die Glocke die Herren zu einem Platzwechsel aufrief. 

Die folgende hatte er schon vor Beginn der Veranstaltung mit ihrer erwachsenen Tochter im Lokal sitzen sehen. Inständig hatte er gehofft, dass es die Tochter wäre, die am Speeddating teilnehmen würde. Aber es war die Mutter, die an den Mann gebracht werden sollte. Sie stammte aus Sachsen, wie man deutlich an ihrer Aussprache hörte, und nun saß sie ihm gegenüber und berichtete mit tränenerstickter Stimme von ihrer missglückten Ehe, und dass ihr neuer Lebenspartner „ährlisch, dreu un zuwerlässisch“ sein sollte. Toll! Er hatte auch nicht vermutet, dass sie jemanden sucht, der sie bescheißt. Wieder war er froh, als die Glocke ertönte.
Mit seiner nächsten Gesprächspartnerin fand er fast sofort den richtigen Dreh. Sie hieß Manuela und war von Beruf Psychologin. Allerdings war sie noch nicht ganz fertig mit ihrem Studium. Sie schrieb noch an einer Doktorarbeit.
„Das ist aber interessant“, sagte er höflich. „Über welches Thema schreibst Du denn?“
„Über zeugungsunfähige Männer“, erwiderte sie.
„Ich fürchte, da kann ich dir nicht helfen“, sagte er.
Zum Glück waren auch hier die sieben Minuten bald um.
Die nächste Dame war etwa Ende fünfzig und bereits Großmutter. An ihrer Kleidung konnte er sehen, dass sie an einen Lebensstil gewöhnt war, bei dem man nicht auf den Pfennig achten musste. Und genau so war es auch. Sie hatte vor ihrer Scheidung gar nicht gewusst, wie teuer es ist eine eigene Wohnung zu haben, bekannte sie freimütig.
Sieben Minuten später saß er Anke gegenüber. Sie war Anfang dreißig und Krankenschwester von Beruf.
Ob er Kinder möge, fragte sie ihn. Ups, war das etwa schon wieder eine ledige Mutti? „Nun ja“, sagte er. „Wenn es die Eigenen sind“, und schaute ihr tief in die Augen. Diesmal war sie wohl diejenige, die froh war, als die sieben Minuten um waren.
Dann kam Sandra an die Reihe, eine gutaussehende, dunkelhaarige Frau, die ihn bisher jedoch keines Blickes gewürdigt hatte. Wie er im Gespräch erfuhr, wohnte sie praktisch nur ein paar Kilometer von ihm entfernt und ging regelmäßig joggen. Da er die Gegend kannte, wusste er, dass sie dies vermutlich am nahen See tun würde. Er beschloss ihr einen Schrecken einzujagen.
„Jetzt weiß ich, warum du mir die ganze Zeit so bekannt vorkommst“, sagte er. „Ich habe dich schon mehr­mals am See joggen sehen. Ich gehe dort nämlich ab und zu spazieren.“
Er konnte beobachten, wie es ihr unbehaglich wurde und sie nervös auf dem Stuhl umherrutschte. Als die sieben Minuten vorbei waren, sagte er zum Abschied: „Wir sehen uns dann am See!“ Aber sie lächelte nur gequält.
Die letzte Dame hieß Stefanie, war Heilpraktikerin und trug trotz winterlicher Temperaturen einen Aus­schnitt, der klar machte, was sie wollte. Eigentlich war sie ganz sympathisch, aber etwas überdreht. Das Leben ohne Partner schien ihr wirklich nicht zu bekommen. Wäre ein Schlafzimmer in der Nähe gewesen, hätte sie wahrscheinlich nicht viele Worte gemacht.
Schnell waren auch hier die sieben Minuten um und er machte sich daran das Formular auszufüllen. Viel­leicht hätte er Andrea wiedersehen wollen, aber die war gerade mit einem der männlichen Teilnehmer ab­gezogen. Also macht er nur ein Kreuz bei Anke und Stefanie, aber auch da war er sich eigentlich nicht sicher. Er gab das Formular bei der Organisatorin ab und machte sich auf den Heimweg. Für heute hatte er genug von ehegeschädigten Sächsinnen, Psychologinnen auf der Suche nach Studienobjekten und anderen Frauen.

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